Vor fünf Jahren entschied
sich Gitte für eine Auszeit
in Amerika. Sie kam
zurück mit einem neuen
Blick aufs Leben.
Aufgewachsen in Dänemark in der Nähe von Silkeborg als mittleres von drei Kindern geht Gitte schon früh ihren eigenen Weg. Der Vater arbeitet viel, die Mutter ist wegen einer psychischen Erkrankung oft mit sich selbst beschäftigt. „Ich war gern bei Freunden, da war immer was los“, erzählt sie. Erinnert sich aber auch an schöne Zeiten mit der Familie im Campingwagen oder Sommerhaus am Meer. „Mein Vater hat mich viel zu Natur und Biologie gelehrt.“
Als Teenager lernt Gitte Standardtanz, Karate, spielt Handball, Fußball, Volleyball. Ist immer getrieben von dem Wunsch raus zu kommen, die Welt zu sehen. Nach dem Abitur schnappt sie sich ihren Rucksack, eine Freundin und ihren Bruder und los geht’s mit dem Interrailticket durch Europa. Endstation ist das Adventure Paradies „Pink Palace“ auf Corfu in Griechenland.
„Die vierwöchige Reise hat unsere Freundschaft gestärkt“, sagt die 46-Jährige. „Und sie hat mir die Augen für die Welt geöffnet. Schon damals habe ich erkannt: „Minimalismus ist genau das Richtige für mich.“ Nach der Rückkehr folgt die Rastlosigkeit. „Ich musste wieder raus.“ Als Au-pair zieht Gitte zu einer Familie nach Hamburg-Mariental. Bleibt anderthalb Jahre. Lernt deutsch. „Hier konnte ich mich das erste Mal öffnen, mit Erwachsenen darüber sprechen, was mich bewegt“, sagt die hübsche Frau mit den blonden langen Haaren. „Meine Gasteltern haben an mich geglaubt und mich gestärkt.“ Es folgt eine Ausbildung zur „Kaufmännischen Assistentin Schwerpunkt Fremdsprachen“ in der Hansestadt. Hochzeit. Scheidung. Begleitet von einer erfolgreichen Karriere in unterschiedlichen Jobs und als IT-Unternehmerin. Doch da ist immer wieder die Erinnerung an damals, an die Tour mit dem Rucksack. Wie leicht das Leben war. Und jetzt? Verantwortung, Termindruck, Stress. „Ich war so satt, hatte alles und war doch nicht glücklich“, sagt Gitte. Sie erinnert sich an die Worte ihres Vaters: „Wenn du morgens aufstehst und keine Lust mehr an dem hast, was du tust, dann ändere das.“
„’Lass dich nicht
von den Narben auf
deiner Seele beherrschen.’
Diese Aussage von Michelle Obama
habe ich mir zu Eigen
gemacht“, sagt Gitte (46).
Sie macht einen Schnitt. Nimmt sich eine Auszeit in Amerika, in einer Einrichtung für autistische Kinder. Jobbt in Küche und Garten, schläft in einer Holzhütte ohne fließendes Wasser. Tauscht sich immer wieder mit Gleichgesinnten aus und merkt nach ihrer Rückkehr, wie sich ihr Blick auf das Leben und die Menschen verändert hat.
„Heute steht für mich die Lebensfreude im Vordergrund“, sagt Gitte, die seit einigen Monaten in einem Flensburger Unternehmen für gesunde Snack- und Proteinriegel arbeitet. „Und die Verbundenheit mit Menschen, die ebenso empfinden.“ Jede Begegnung mit Menschen sei ihr wichtig, sagt sie, denn: „Aus jeder kann ich etwas lernen.“
Was sie für sich gelernt hat? Sich selbst zu lieben, dankbar und mutig zu sein. Und Menschen zusammenzuführen mache sie glücklich, sagt Gitte. Wovon sie träumt, möchte ich abschließend wissen. „Von einer Weltreise mit Rucksack und einer großen Dachterrasse - nur mit einer Hängematte...“
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