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Comedian Ingrid Wenzel: "In Deutschland sollte mehr gelacht werden."

2013 fing sie in Hamburg als DJane an. Seit 2017 arbeitet Ingrid Wenzel von Berlin aus als Stand-up Comedian, Moderatorin, Autorin und Illustratorin. Im „Vapiano“ am Berliner Hauptbahnhof habe ich mit der 30-Jährigen über Kriegsschiffe, Comedy im Waschsalon und Kunst als Ausgleich gesprochen. Foto: Stefanie Baars

Ingrid, was haben sich deine Eltern dabei gedacht, dir diesen Vornamen zu geben?

Das frage ich mich auch. Meine Mutter hatte ‘ne Puppe, die hieß Ingrid. Wäre ich ein Junge geworden, hätte ich wohl Herwig geheißen. Aus der Nibelungensage. An meinem Namen mag ich, dass er skandinavisch ist. Wenn ich’s in Deutschland vermassle, gehe ich nach Schweden ins Exil...

 

Verrate uns mal: Wie wird man Comedian?

Durch ganz viel harte Arbeit. Comedian wird man nicht, indem man seine Gags am Schreibtisch verfasst, oder nur Freunden erzählt, sondern auf die Bühne geht und das ausprobiert.

 

 

Ausprobieren heißt auch improvisieren?

Nein, improvisieren kannst du immer noch lernen, das ist ein anderes Handwerk. Aber auf den Ernstfall musst du vorbereitet sein. Dass du einen Blackout hast, jemand etwas reinruft, die Leute nicht sofort lachen. Damit umzugehen, funktioniert nur mit Übung.

Foto: Sergey Sanin

Wann und wo war dein erstes Mal?

2013 in der Berliner Scheinbar, einer ganz wichtigen Institution in der deutschen Kleinkunst. Mit der längsten offenen Bühne Deutschlands. Da kannst du vier oder fünf Tage pro Woche hingehen und sagen: Hier will ich heute auftreten.

 

Worüber hast du damals in der Scheinbar geredet?

Über Wassergymnastik. Die habe ich in der Uni gemacht. Da waren immer nur Frauen und ein Mann. Das fand ich komisch. Sieben Minuten Comedy auf der Bühne über Wassergymnastik. Und es war keine Vollkatastrophe. Die Leute haben zum Teil gelacht. Es war aber nicht das, was ich wollte.

                                                                                                                                                                                           Fotos (3): Wenzel

Was wolltest du?

Dass sie so lachen, wie ich sie auch im Gespräch zum Lachen bringe. Dazu braucht man Handwerk und ganz viel Übung. Das lernt man über die Jahre. In Berlin stehe ich jetzt viermal die Woche auf der Bühne. Das ist wie Fitnesstudio. Manchmal musst du Cardio machen, manchmal Geräte. Mal offene Bühnen, mal Shows. Geräte musst du echt üben: Muskeln trainieren, an deiner Bühnenhaltung und deinen Jokes arbeiten. Cardio ist, mal 45 Minuten aufzutreten und zu spüren: Wie fühlt sich das denn an?

 

Wie denn?

Sehr Gut. Weil das Publikum dann bereits auf deinen Rhythmus, deinen Stil und deine Persönlichkeit getrimmt ist. Das ist wie Surfen. Du nimmst die Zuschauer mit auf die Welle.

 

Du hast dich früher „Irre Inge“ genannt.

Das ist mir heute voll peinlich. Aber ich war damals nicht sicher: Ist es das Richtige für mich? Und habe mir einfach diesen albernen Künstlernamen überlegt. Um anonym zu bleiben, wenn das mal nicht klappen sollte. Die „Irre Inge“ ist heute ein lustiger Fun-Fact.

 

Wie viele Menschen schauen dir am Abend zu?

Och, unterschiedlich, ich bin auch schon vor einer Person aufgetreten. Das war in Amerika im Waschsalon. Die Frau wollte nur ihre Wäsche holen und blieb einfach kurz sitzen, während ich auf der Bühne stand. Sie hat mir zugehört und gelacht. Das werde ich nie vergessen. Vor mehreren Hunderten aufzutreten, hat natürlich eine ganz andere Dynamik.

 

„Ich sage immer:

Spaß ist harte Arbeit“

 

Deine Themen sind...?

Es geht um mich und meine Haltung zu den Dingen. In der Stand-up Comedy dreht sich ganz viel um Haltung. Ich bin mit einem Amerikaner zusammen und das Thema USA vers. Deutschland bearbeite ich sehr gern. Alles ist politisch. Selbst wenn du es nicht erwähnst.


 

 

Ingrid Wenzel traf ich zum "Speed Interview"

am Berliner Hauptbahnhof

im Restaurant "Vapiano".

Lust, Ingrid auf der Bühne zu erleben?

Hier findet ihr alle Termine.


(Kurze Pause, Ingrid blickt sich um). Ich kriege gerade alles um mich rum mit. Das ist so eine Bühnenkrankheit. Du stehst auf der Bühne und nimmst alles wahr. Wie hier. Du musst auf der Bühne auf jede Schwingung achten und im Moment sein. Das fiel mir am Anfang sehr schwer. In Gedanken war ich schon beim nächsten Joke.

 

Was sind deine Comedy-Highlights?

Immer wenn Leute in kleinen Clubs nach dem Auftritt zu mir kommen und sagen: Hey, ich dachte, es gibt keine deutsche Stand-up Comedy. Das ist das größte Kompliment. Ich wünschte, dass noch mehr Leute auf unsere Szene aufmerksam werden.

 

Wie ernsthaft ist Comedy?

Total ernst. Ich sage immer, Spaß ist harte Arbeit. Die Leute kennen dich nicht. Wie überzeugst du Menschen, die sich einen Babysitter geholt haben, um Comedy zu sehen, dass es lohnenswert ist, hier zu sein und dir zuzuhören?

 

Wie denn?

Dadurch, dass ich nach wie vor zu offenen Bühnen gehe, mein Material und meine Jokes teste. Bis ich sage: Das ist richtig gut. Erst dann gehe ich in Shows, für die die Leute Geld zahlen und auch Qualität verdient haben. Man muss selber von sich und der Kunst überzeugt sein. Das ist ganz wichtig.

 

Was war das Mutigste, das du je getan hast?

Dass ich für eine Zeit nach Amerika gegangen und in Los Angeles sowie San Francisco aufgetreten bin. Vorher habe ich mir gesagt: Wenn die Leute hier nicht lachen, dann hörst du für immer auf. Hat sehr gut funktioniert. Das sieht in der Praxis so aus: Du tingelst die offenen Bühnen ab. Zahlst Geld, ein paar Dollar, stehst zwei bis drei Stunden an, um drei Minuten auf der Bühne zu stehen. Als ich dann das erste Mal für eine Show gebucht wurde, gab’s zwar kein Geld aber es war das größte der Gefühle.

 

„Der Glaube an Gott

gibt mir Kraft"

 

Wie wichtig ist Mut für dich?

Total wichtig, Mut ist das Gegenteil von Angst. Die begleitet mich die gesamte Zeit: auf die Bühne zu gehen - dass die Leute nicht lachen - nicht zu genügen - nicht verstanden zu werden. Das muss man hinter sich lassen, um zu funktionieren. Im Leben ist es generell wichtig zu spüren: Welche Angst habe ich? Um diese dann zu bearbeiten.

 

Du hast mal auf einem Kriegsschiff gearbeitet.

Ja, nach dem Abitur. Ich fand das faszinierend. Und bin zur Musterung nach Köln gefahren, weil es da ein gutes Kunstmuseum gibt. Die Marine wollte mich unbedingt haben. Die Uniform fand ich cool. Doch schon am ersten Tag dachte ich: Ne, hier passe ich nicht hin. Die Ausbildung auf der Gorch Fock habe ich jedoch durchgehalten und dann verweigert.

 

Wo findest du deinen privaten Ausgleich?

In der Kunst. Ich zeichne viel, gehe ins Museum und bin religiös. Der Glaube an Gott gibt mir Kraft. Wäre ich nicht religiös, dann wäre ich schon längst verzweifelt. Für mich ist es wichtig, auch mal inne zu halten. Zu fragen: Warum mache ich überhaupt Comedy? Warum mache ich überhaupt etwas? Darauf gibt mir Religion eine Antwort.

 

Deine Wünsche für die Zukunft?

Dass ich immer zeichnen und Witze machen kann. Und Leute erreiche, die sagen: Ja, so geht’s mir auch. Ich wünsche mir, dass wir Deutschland als Humorland nach vorne bringen. Indem mehr Leute ehrliche Comedy machen. Wir sollten endlich richtige Stand-up Comedy als hohe Kunst wertschätzen. Wir müssen mutig sein und weitermachen. In Deutschland sollte mehr gelacht werden.

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