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Herzensmensch Harnack

Sympathisch, authentisch, pragmatisch, lebensfroh. Das ist Anke Harnack (40). Erst geht’s mit dem Kind zur Kita und dann kommt sie - aus Lurup direkt in den Lesesaal der Hamburger Stadthöfe. Fröhlich winkt die ehemalige NDR Moderatorin und Reporterin uns zu und ruft: „Komme gleich“. Denn erst einmal begrüßt die studierte Wirtschaftsjuristin Buchhändlerin Stephanie Krawehl. Soviel Zeit darf sein. Man kennt und wertschätzt sich.

                                                                                                                                         Fotos: privat /Ann-Christine Krings (1)

Anke Harnack, wie wichtig ist Ihnen Wertschätzung?

Anderen Menschen gegenüber enorm wichtig. Ich merke oft, wie einfach es ist, mit „Dankeschön“, „Wie lieb von Ihnen“, „Bleiben Sie gesund“, Herzen aufzuschließen. Ich finde, ein „Bitte‘ und ‘Danke‘ ist nicht zu viel verlangt. Sie sind die einfachste Form der Wertschätzung. Das kultiviere ich.

 

Denken Sie an Heimat, dann denken Sie an...?

... Hamburg. Hier lebe ich seit 2008. Hier habe ich meinen Mann kennengelernt, geheiratet, mein Kind bekommen. Hier ist das Haus, in dem es im Winter nach Hühnersuppe und Käsekuchen duftet. Ich bin in Bergen auf Rügen geboren, also ein Nordlicht. Könnte mir aber nicht vorstellen, immer noch dort zu leben. Hamburg ist für mich die einzig wirkliche Metropole im Norden. Das hat mich schon bei meinem ersten Besuch mit 12 Jahren fasziniert - als ich kurz nach der Wende die Binnenalster gesehen und das Stadtgefühl wahrgenommen habe. Ich erinnere mich an meinen ersten Eindruck: ‚Hier ist es aber schön.’

 

19 Jahre waren Sie das Gesicht und die Stimme vieler NDR Radio- und Fernsehformate. Dort haben Sie nun gekündigt und sich eine Auszeit für die Familie genommen. Vermissen Sie dieses Wirken in der Öffentlichkeit nicht?

Noch nicht. Es kann sein, dass das noch kommt. Ich bin wirklich rausgegangen aus der Öffentlichkeit mit dem Gefühl, so viel mehr erreicht zu haben, als ich mir je erträumt hätte. Der Höhepunkt war, dass ich im Februar 2019 vertretungsweise die NDR Talkshow moderieren durfte. Nun ist ein guter Moment zu sagen: Auf zu neuen Ufern. Ich versuche es aber zu kompensieren, indem ich einfach weiter mit dem, was ich kann und bin, Menschen Freude schenke. Wer mich weiter hören will, der muss einfach U-Bahn fahren - ich bleibe ja die Stimme der Hamburger Hochbahn.

 

Was war das originellste / schönste Kompliment, das Sie in Ihrer Laufbahn bekommen haben?

Das kurioseste war definitiv bei Dreharbeiten auf einem Campingplatz von einem Herrn um die 80, Typ Marathonläufer, kurze Hose, Muskelshirt. Der sah mich, hüpfte vor mir hin und her und rief: „Frau Harnack, wenn ich gewusst hätte, dass ich Sie heute treffe, dann hätte ich mir gleich die guten Zähne reingemacht.“ Das war lustig und gleichzeitig rührend.

 

Auf dem Blankeneser Wochenmarkt sprach mich eine Frau an, die sagte: „Können Sie mal einen Moment warten? Mein Mann ist gerade beim Arzt. Er hat so große Herzprobleme. Wenn er Sie sieht, dann geht es ihm gleich besser.“ Natürlich habe ich gewartet. Auch das hat mich gerührt. Wenn sich Menschen freuen über unsere Begegnung, dann bin ich glücklich. Dafür stehe ich. Ich bin in Wahrheit total unspektakulär. Das spüren die Leute.

 

Jetzt kokettieren Sie aber.

Nein, das tue ich nicht. Ich bin eine total normale Frau, ich sage z.B. ganz offen: Mutter sein ist anstrengend. Oder: Ich habe zwar Übergewicht, bin aber gesund. Fein für mich. Ich hätte mich ja runterhungern können. Aber dann wäre ich nicht mehr ich gewesen. Am Anfang wurde ich vielfach beschimpft: wie man so jemand Dickes wie mich ins Fernsehen lassen könne? Andererseits hat mir auch mal ein Fan aus Wien eine Sachertorte geschickt mit den Worten, ich solle unbedingt meine Figur halten (lacht).

 

 

 

Sie sind vielen großen Künstlern dieser Welt begegnet. Eine Zusammenfassung haben Sie kürzlich auf Ihrem Facebook-Profil visualisiert. Wer hat Sie am meisten berührt?

Der Sänger Peter Maffay zum Beispiel. Weil auch ihm die Menschen so wichtig sind. Er kommt zu einem Termin und sagt jedem im Raum guten Tag - und zwar mit Handschlag. Das hat er vor 20 Jahren genauso gemacht wie heute. Er hat immer ein herzliches Wort für die Leute, nimmt sich Zeit für noch ein Autogramm und noch ein Foto. Und hat stets ein warmes Wort für die Menschen. Peter Maffay freut sich immer noch darüber, Interviews geben zu dürfen. Schreibt danach oft Dankeszeilen. Das finde ich enorm. Er beindruckt und berührt mich, denn er ist menschlich und tut viel Gutes.

 

Aber auch die vielen stillen fleißigen Menschen sind mir wichtig. Menschen, die sagen: „Ja, kommen Sie uns doch mal besuchen. Wir erzählen Ihnen unsere Geschichte.“

Welche Geschichte war besonders?

Als ich ganz jung war, ich glaube, das war noch im Volontariat bei Radio Antenne MV, traf ich eine junge Frau, die mir eine ganz andere Geschichte erzählen sollte. Nach dem Interview sagte sie plötzlich zu mir: ‚Ich bin HIV positiv.’ ‚Wieso erzählen Sie mir das jetzt?’, fragte ich sie. ‚Das weiß ich nicht. Ich wollte, dass Sie das wissen.’ Das hat mich ganz lange begleitet.

 

Warum meinen Sie, sollten Sie das wissen?

Ich denke, weil die Atmosphäre zwischen uns gestimmt hat, weil ich immer echt bin. Habe mich bestimmt über die Jahre entwickelt, aber nie verstellt und ganz früh schon entschlossen, keine Rolle zu spielen. Das bekomme ich als Feedback.

 

Wie schaffen Sie es in die Herzen der Menschen?

Weil mir die Menschen eben nicht egal sind. Mein Wunsch war es immer, dass sie z.B. nach einer Veranstaltung sagen: „Das war schön.“ Es muss keine Lebenserinnerung sein. Ihnen aber so viel wert sein, dass sie am nächsten Tag noch gern daran denken. Wenn ich es für sie geschafft habe, aus einer 0815-Veranstaltung etwas für einige Zeit Unvergessliches zu machen, dann macht mich das glücklich. Vor allem jetzt, wo die Fernsehlaufbahn beendet ist. Und ich immer wieder höre: ‚Es ist so schade. Sie fehlen mir so.’ Mein Publikum ist so dankbar, dass ich weiter etwas auf Facebook poste, weil wir so in Verbindung bleiben und irgendwie noch zusammen gehören.

 

Kürzlich haben Sie dort unter dem Motto „Heimchen am Herd“ das Rezept einer Gemüsepaste gepostet. Ist das nun die Zukunft der Anke Harnack?

(Lacht). Für den Moment liebe ich das. Ich habe immer davon geträumt, in einem Haus zu wohnen, in dem es nach Hühnersuppe und Weihnachtskeksen duftet. Das darf ich jetzt leben! Ich nähe gerade ganz viel und probiere Rezepte aus. Auf einmal fragten viele Leute nach meinen Rezepten. Dann habe ich die einfach mal aufgeschrieben.

 

Wie lange, meinen Sie, hält diese Phase der Häuslichkeit an?

Keine Ahnung. Ich nutze diese Zäsur mit 40 einfach. Für 2020 habe ich schon die Idee, etwas Neues zu starten. Ich glaube, es wird immer was mit Menschen und Medien sein. Aber ich will mich erst mal neu finden. Durch mein Kind bin ich viel mutiger und egoistischer geworden. ‚Family First’ - ich kämpfe schon sehr um das Wohl der Familie. Mir geht es zuerst um eine gute Familienatmosphäre, und ich werde alles dafür zu tun, dass es dem Kind gut geht. Der Rest findet sich dann. Meine Haltung ist fester geworden. Ich bin viel klarer im Ja und Nein sagen. Früher dachte ich: Ich muss es doch allen recht machen. Heute geht es mir darum, es meiner Familie und mir recht zu machen. Erst danach kommen die anderen.

 

Sie hätten Ihre Karriere beim NDR sicher weiter ausbauen können und haben mit Ihrer Entscheidung einen wirklich erstaunlichen und eher ungewöhnlichen Schritt gewagt. Was meinen Sie: Tendieren Mütter heutzutage wieder mehr dazu, sich gegen die Karriere und für das Kind zu entscheiden?

Das wage ich so generell nicht einzuschätzen, und ich habe mich ja übrigens auch gar nicht grundsätzlich gegen eine Karriere entscheiden, sondern nur gegen die Fortsetzung meiner Karriere beim NDR. Ich sah dort für mich keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr, im Gegenteil: Im Hamburg Journal wurde ich seit meiner Rückkehr aus der Elternzeit sukzessive immer seltener eingesetzt, und bei NDR 90,3 gab es kein zufriedenstellendes Angebot, das auf Dauer mit meiner neuen Familiensituation kompatibel gewesen wäre. Ich verstehe also jede Frau, die sich für die Familie entscheidet, wenn die beruflichen Perspektiven nicht besonders vielversprechend sind. Letztlich kann die Vereinbarkeit von Kind und Karriere nicht allein Aufgabe der Mütter sein.

 

 

Was gibt Ihnen das Gefühl, Mutter zu sein?

Ich bin ja erst mit 38 Mutter geworden. Es war nie mein Herzenswunsch. Ich war immer überzeugt, auch ohne Kinder glücklich zu sein. Heute kann ich sagen: Ein Kind zu haben ist ein Wunder, seine Erziehung eine echte Lebensaufgabe, die Kraft kostet. Ich lebe seit zwei Jahren in einer permanenten Sorge. Dass das Kind von der Wickelkommode fällt, sich die Finger klemmt, auf die heiße Herdplatte greift, auf die Straße läuft, oder, oder, oder. Und hoffe immer, alles richtig zu machen, um den kleinen Menschen unbeschadet ins Leben zu schicken.

 

Was ist die schönste Liebeserklärung des Kleinen?

Wenn er kommt und sagt: „MAMA“, mich anstrahlt, seinen Kopf an meine Schulter wirft, meinen Hals mit seinen kleinen Händen umfasst. Dann wuscheln die blonden Locken durch mein Gesicht und ich bin glücklich. Mein Sohn gibt mir das Gefühl zu wissen, wo ich hingehöre. Er strahlt, ohne sich Mühe zu geben, für meinen Mann und mich eine große Geborgenheit aus. Und sorgt dafür, dass es möglichst viele Familienmomente gibt. Er hält unser Dreierkleeblatt zusammen. Cornelius ist ein fröhlicher kleiner Mensch, der sehr genau weiß, was es will.

 

Das wussten Sie auch schon früh: Im Kindergarten wollten Sie Melkerin werden, in der Grundschule Deutschlehrerin.

Sie sind Journalistin geworden. Wie kam es dazu?

Journalistin bin ich geworden, weil ich immer neugierig war. Ich habe auch hier in Hamburg hinter so viele Fassaden gucken dürfen. Mich haben Menschen in ihr Leben gelassen. Das ist ein unglaublicher Schatz. Daran bin ich gewachsen. Das macht mich wirklich demütig. Ich hätte mir während meiner Ausbildung bei Antenne MV oder mei-

nem Studium niemals ausgemalt, dass ich da lande, wo ich gelandet bin.

Anke Harnack traf ich Mitte November 2019

                                                                                                                                                                                   im Lesesaal der Hamburger Stadthöfe.

                                               

Was macht für Sie gute Freunde aus?

Sie sollten ein Profil haben, ein fröhliches Naturell, gesellig sein, Freude am Leben haben und eine erkennbare Haltung zeigen. Das muss nicht meine sein. Doch ich möchte wissen, woran ich an jemandem bin.

 

Sie sind ein bekennender Genussmensch. Was darf es denn sein?

Es darf süß, salzig, bitter, sauer sein. Alles, was selbstgemacht ist. Fertigprodukte habe ich komplett aus meiner Küche verbannt. Ich bin ein Wochenmarktfreak, liebe die frische, regionale, bodenständige und einfache Küche. Meine Oma hat einen Rotkohl gemacht mit Äpfeln und Nelken, Zwiebeln, ein bisschen Marmelade, etwas Essig und den unendlich lange schmoren lassen. Das schmeckt einfach toll. Wenn wir ein rustikales Abendbrot auf den Tisch stellen oder einen Pasta-Abend ausrufen, dann sind unsere Gäste immer ganz glücklich. Essen und Atmosphäre müssen echt sein. Es überträgt sich auf die Gäste, wenn sie spüren, dass ein Haus lebt und die Menschen darin glücklich sind.

 

Sie sind befreundet mit der Michel-Pastorin Julia Atze. Wie trägt der Glaube Sie durchs Leben?

Als gebürtige Ostdeutsche wurde ich als Kind nicht getauft. Als meine Oma starb, habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und gefragt: Wie glaubt man an Gott, wenn man nicht weiß, wer oder was das ist? Irgendwann dachte ich: Ich glaube, dass da was zwischen Himmel und Erde ist, das uns lenkt, Halt und Zuversicht gibt. Und spürte, dass das Bild, was dem am nächsten kommt, die Evangelische Kirche vermittelt. So habe ich mich erst als Erwachsene taufen lassen, und es war uns ganz wichtig, dass auch unser Sohn getauft wird. Dieses Wertesystem kann einem Kind ganz bestimmt nicht schaden.

 

Wovon träumen Sie?

Ich möchte einfach nur, dass es so schön wie es gerade ist, weitergeht. Meine Ehe ist ein großes Glück. Ich hoffe, dass wir das Kind gut begleiten können und aus ihm ein cooler Typ wird. Und dann ist schon gut.

 

Ihr Tipp für eine glückliche Ehe?

Im Gespräch bleiben. Nie mit Meinungsverschiedenheiten ins Bett gehen sondern diese vorher auflösen. Wir haben uns bei der Hochzeit 2016 gesagt: Das muss jetzt mindestens 40 Jahre gutgehen. Das wollen wir uns versprechen.

 

Verraten Sie uns abschließend Ihre Lebensphilosophie?

Es ist immer alles drin - von hoffnungslos bis Hauptgewinn. Ich nehme gern den Hauptgewinn.

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