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Von Helgoland in die Antarktis - die Fotografin Lilo Tadday ist eine mutige Frau, die berührt!

Journalistin Hamburg | Interview Magazine | Bianca Bödeker Abendblatt
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Mit ihrem Wesen, ihrem Werdegang und ihren Bildern. In Karlsruhe geboren, lebt die 70-Jährige seit rund 50 Jahren auf der Hochseeinsel Helgoland. Dort habe ich die Fotografin und Galeristin besucht (Fotos: Furtmeier / Tadday).

Lilo Tadday, Ende Juli wurden Sie 70 Jahre alt. Blicken Sie auf Ihr bisheriges Leben zurück, dann blicken Sie zurück auf die Erkenntnis...,

... dass die Wahl meiner Wahlheimat, den größten Teil meines Lebens auf der kleinen Insel Helgoland und inmitten der Nordsee zu leben, für mich bis zum heutigen Zeitpunkt eine mutige und gute Entscheidung war. Ich habe es bis jetzt nie bereut oder in Frage gestellt. Wenn mich jemand nach unseren langen Wintern fragt, kann ich bis heute sagen, dass mir noch keiner lang genug war.

 

Als Fotografin sind Sie ein Augenmensch. Was macht diesen in Ihren Augen aus?

Ich bin nicht nur Augenmensch, sondern nehme Eindrücke mit allen Sinnen auf. Will ich in der Natur ein Foto machen, dann merke ich zunächst über andere Gefühle: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür. Die Augen allein reichen nicht, damit ein Foto eine Seele bekommt und etwas ausstrahlt. Meine Bilder verkaufen sich ja nur, wenn sie jemanden berühren.

 

Wie schaffen Sie es, Menschen zu berühren?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Nach vielen Jahrzehnten der Fotografie kann ich aber immer noch sagen, dass ich ein Foto erst mal für mich mache. Und schaue erst dann, was damit werden könnte. Mein Glück ist die kleine Fotogalerie hier in der Helgoländer Hummerbude. Kommt jemand rein, merke ich über die Beobachtung, ob ihn ein Bild berührt. So erfahre ich oft erst über die Interpretation eines Fremden das Warum.

 

Haben Sie ein Beispiel?

Das Bild von dem Mädchen aus Uganda, das hier gerade auf dem Boden rumsteht, hat bei einer Ausstellung in Ugandas Hauptstadt Kampala den deutschen Botschafter so angerührt, dass er es kaufte. Obwohl er in dem Land schon lange gelebt hat, hat es ihn so fasziniert, dass er es ausgerahmt und signiert haben wollte.

 

Oder eine junge Helgoländerin, die sich drei Bilder für ihre erste eigene Wohnung aussuchte und sagte: „Viele Menschen machen schöne Bilder. Aber deine, die haben irgendwie Seele.“ Das vergesse ich nie, weil sie doch noch sehr jung war und trotz ihres jungen Alters bereits solche Worte fand.

 

Ist Helgoland mit seiner Seele Ihr Kraftort?

Helgoland ist seither ein Kraftort für viele Menschen. Gäbe er mir nicht immer wieder neue Impulse, wäre ich schon lange nicht mehr hier. Und ich bin seit mehr als einem halben Jahrhundert hier. Freiwillig!

 

Was bedeutet die Insel für Sie?

Helgoland ist meine Wahlheimat. Ich bin in Karlsruhe geboren und auf dem Dorf „bullerbümäßig“ großgeworden. Irgendwann hat es mich hierher verschlagen. Das hat mit meinem Vater zu tun. Er ist nach dem Krieg mit dem späteren Bürgermeister der Insel zur See gefahren. So hat man uns süddeutsche Kinder regelmäßig hierhergeholt. Die Bürgermeisterkinder kamen immer mal zu uns. Es war dann die Liebe, die mich hierbleiben ließ...

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Wo auf der Insel liegt Ihr Kraftort?

Es ist die Düne. Sie ist nicht nur Kraftort sondern auch Ruheplatz zum Ausgleich für den quirligen Felsen. Wir haben seit Anbeginn immer einen Dauercampingplatz auf der Düne bewohnen dürfen. Auch für meine beiden Kinder ist Helgoland so ein Kraftort. Sie waren relativ früh flügge. Haben sich nach der Schule aufgemacht Richtung Festland und später in die weite Welt. Aber sie kommen oft und unglaublich gerne zurück.

 

Was lieben Ihre Kinder an Ihnen?

Meine Inkonsequenz (lacht). Frederike hat schon über mich gesagt, ich sei ihre beste Freundin. Eines der größten Komplimente, das man von der Tochter bekommen kann. Bei Philipp ist die Seelenverwandtschaft eine andere. Groß ist sie bei beiden. Sie haben mich schon zur vierfachen „Oti“ gemacht. So nennt man hier die Oma. Ich reise auch gern zu ihnen, denn beide leben ebenfalls in einem sehr beseelten Umfeld.

 

Wie haben Sie sich im Leben persönlich durch die Fotografie weiterentwickelt?

Ich habe mit 14 Jahren den Lehrberuf als Fotografin begonnen. Über das Medium der Fotografie mit sich selbst zu sein und auf sich konzentriert bleiben zu dürfen, ist ein hohes Gut. Es bringt einen auch raus in die Welt. Helgoland, dieser Mikrokosmos, dieses kleine Paradies ist groß und fein genug, wenn man alles nutzt, was es hier zu nutzen gibt. Das andere muss man sich in der Welt zusammensuchen. Mit der Fotografie als Medium auch international arbeiten zu dürfen, war mein Glück und hat zu meiner Entwicklung beigetragen.

 

2001 und 2006 waren Sie mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ in der Antarktis unterwegs. Wie ist es dazu gekommen?

Das ist ziemlich kurios. Draußen vor der Hummerbude stand ein Foto von mir. Das zeigte eine Qualle - eines meiner besten Bilder. Daraufhin ist ein Mann hereingekommen, der Antarktiswissenschaftler war - das wusste ich damals noch nicht. Ich dachte: Aha, der vertritt sich hier die Füße und seine Frau ist shoppen. Am zweiten und dritten Tag kam er wieder und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, in der Antarktis „Eis in Licht und Schatten“ umzusetzen.

 

Ohne nachzudenken habe ich ganz fröhlich geantwortet: „Ja! Warum denn nicht? Das ist doch immer im November, Dezember, Januar, wenn auf Helgoland sowieso nicht viel los ist.“ Dann ist dieser Mann rausgegangen und hat mit erhobenem Zeigefinger zu mir gesagt: „Frau Tadday, Ich bin ein konkreter Mensch. Sie werden von mir hören.“

 

Wie ging’s weiter?

Im Januar kam dann ein Anruf. Am Telefon war Professor Dr. Ulrich Bathmann vom Alfred-Wegener-Institut und fragte: „Wie flexibel sind Sie? Wie schnell könnten Sie mitkommen? Eine Freundin, ebenfalls Wissenschaftlerin, sagte damals: „Wenn du jetzt nein sagst, rede ich nicht mehr mit dir. Das ist eine einmalige Möglichkeit.“ Im April 2001 bin ich dann das erste Mal sechs Wochen lang in den antarktischen Herbst mitgefahren. Später, im Jahr 2006, dann noch mal für drei Monate in den antarktischen Winter. Von einer Reise in den antarktischen Sommer, also in unseren Wintermonaten, träume ich gerne weiter.

 

Wie kamen Sie im Team zurecht?

Es war für mich leicht, mich in die Mannschaft einzufügen, denn auch Helgoland ist nichts anderes als ein großes Schiff. Bei 100 Menschen an Bord und so vielen Nationalitäten ist es spannend und aufregend zugleich. Meine Position war ja auch privilegiert. Ich musste nicht. Ich durfte. Wenige Menschen kommen an diesen Ort. Geschweige denn, dass Wissenschaftler Künstler für längere Zeit mitnehmen. Heute weiß ich natürlich, warum Professor Bathmann drei Mal in der Hummerbude war. Er wollte ausloten: Passe ich in die Gruppe? Auf das Schiff? Halte ich das wohl so lange aus?

 

Was haben die Expeditionen bei Ihnen ausgelöst?

Sie haben mein Leben noch einmal ganz auf den Kopf gestellt. Mir auch über meine Landschaftsbilder aus dieser wunderbaren Region der Erde einen beruflichen Schub gebracht. Diese Expeditionen haben mir ein neues Spektrum rund um die Naturansichten eröffnet.

 

Auch Demut?

Demut kann in dieser Natur gar nicht ausbleiben. Dort weiß und fühlt man, wie klein und zerbrechlich wir sind. Der Mensch ist in dieser Landschaft wirklich sehr winzig und unscheinbar.

Fotoimpressionen, eingefangen von Lilo Tadday auf Helgoland und in der Antarktis.

Was hat Sie am meisten berührt?

Es war auf der zweiten Reise im WM-Fußballsommer 2006. Während eines Fluges im Helikopter - die meisten Fotos durfte ich von dort aus machen - flogen wir durch die Wolkendecke und sahen unter uns einen riesigen schwimmenden Eisberg, der aussah wie ein Schlösschen. Diesen zu beobachten, zu umkreisen und in seinen verschiedenen bizarren Formen und Farben, in seiner Maßstablosigkeit und grenzenloser natürlicher Schönheit zu erleben und fotografieren zu dürfen; daraus ist eines meiner eindrucksvollsten Landschaftsbilder aus der Antarktis entstanden.

 

Was war das Mutigste in Ihrem Leben?

Ich selbst habe mein Leben nie als besonders mutig empfunden. Es immer als einen eher normalen Werdegang eingeordnet. Es war im Nachhinein sicher mutig, sich der Expeditionen allein anzuschließen. Aber in dem Moment, als ich mich dazu entschlossen hatte, habe ich das nicht so empfunden.

 

Was heißt Mut für Sie?

Vielleicht habe ich ein anderes Wort für Mut: Neugierig sein. Wissbegierig. Dann ist der Mut ganz natürlich da.

 

Nach dem frühen Tod Ihres ersten Mannes haben Sie noch einmal geheiratet. Wie glücklich sind Sie?

Ich kann mir nicht vorstellen, glücklicher und zufriedener zu sein, als ich mich gerade fühle. Weil ich weiß, dass Helgoland der richtige Ort und Platz für mein Leben ist. Ich hoffe, hier so lange wie möglich leben zu können.

 

Wovon träumen Sie?

Mit meinem Mann, meinen Kindern und Enkelkindern im Warmen auf einem Hausboot zusammengedrängt eine Zeit verbringen zu dürfen- oder, extrem alternativ, unter Polarlicht mit allen Skizulaufen... .

 

Was dürfte an Bord nicht fehlen?

Ganz klar, die Kamera.

 

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